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Medienarbeit von Verfahrensbeteiligten und Strafverfolgungsbehörden (Litigation-PR)
Eine wichtige Strategie zur Verfahrensführung?



Journal für Strafrecht - November 2017 / Nr.6 Durch den Pressespiegel, welcher jeweils eine Woche vorher in den Gerichtshöfen aushängt, erfährt die Öffentlichkeit durch Einsicht der Gerichtsreporter schon vor Prozessbeginn von einem (prominenten) Strafverfahren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt recherchieren die Gerichtsreporter, wenn sie nicht schon vorher von einer Presseaussendung der Ermittlungsbehörden oder einem Parteienvertreter (Opfer oder Beschuldigten) informiert wurden; sobald auch nur ein solcher Hinweis, wie z.B. Ermittlung gegen Person X, in den Medien auftaucht, ist auch ein späterer Freispruch, welcher im Übrigen oft mangels Sensation nicht mehr in den Medien nachzulesen ist, nur ein schwacher Ausgleich, weil schon vorher der Reputationsschaden eingetreten ist. Die Waffe gegen eine solche Vorverurteilung ist eben die Litigation-PR.

Da die Justiz insbesondere in Strafsachen und hier wieder im Stadium der Vorermittlungen die Deutungshoheit aufgrund des Informationsmonopols der Behörden besitzt, ist in diesem Stadium die Litigation-PR imminent wichtig, um die Waffengleichheit (wieder) herzustellen. Entscheidend ist darüber hinaus die Rechtzeitigkeit der Anwendung von Litigation-PR.










Deskriptoren: Litigation-PR, Verteidigung, Opferschutz, Reputationsproblematik, Waffengleichheit, Medienrecht.

Normen: § 301 StGB; § 54 StPO; §§ 6 ff MedienG


1. Das Wesen von LitPR

Litigation PR (LitPR) ist prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit von Prozessbeteiligten bzw. deren Vertretern. Sie kommt aus dem amerikanischen Rechtskreis und wird dort auch court of public opinion genannt. Historisch gesehen ist sie bereits seit langer Zeit ein Begriff, z.B. Emile Zola „ J,`accuse“ in der Dreyfus-Affaire im 19. Jahrhundert und Voltaire in der Justizaffaire Jean Calas, zuletzt in der Festrede von Ferdinand von Schirach anlässlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele 2017 in Erinnerung gerufen. Da man für LitPR Kenntnis vom gesamten Medienumfeld haben muss und noch dazu einen speziellen Zugang zu den Medienvertretern benötigt, hat sich ein eigenständiges Betätigungsfeld für LitPR-Experten entwickelt, das Anwälten bei der rechtsfreundlichen Vertretung von Beschuldigten und Opfern beratend Hilfestellung gewährt. LitPR benutzt auch die sozialen Medienforen, z.B. durch Steuerung von Postings, Facebook, Twitter, Youtube etc.

Ein sehr wesentlicher Tätigkeitsbereich von LitPR-Experten ist auch die Einflussnahme auf die Legistik; im Auftrag von Interessenvertretungen die Erlassung von Gesetzen einzufordern bzw. auch zu verhindern, sowie Modifizierungen und Novellen zu erwirken.

a) LitPR für Unternehmen
Unternehmen haben in der Regel bereits vor Beginn eines Prozesses, zumindest in der Krise, einen Pressesprecher. Dieser bzw. der Vorstand des Unternehmens entscheidet, ab wann man eine LitPR Firma beauftragen sollte; spätestens bei Beginn von Ermittlungen im Strafverfahren bzw. nach einem Schadensfall, der zu Schadenersatzforderungen führen kann. Solange noch kein Anwalt eingeschaltet ist, spricht man von allgemeiner Krisen-PR. Ab dem Zeitpunkt, wenn ein Anwaltsunternehmen beauftragt wurde und es in dieser Kanzlei ausgebildete LitPR-Experten gibt (eher selten), führen diese die LitPR für den Auftraggeber. Immer öfter geben allerdings Anwaltsfirmen den Auftrag an eine LitPR Firma weiter oder das Unternehmen selbst gibt den Auftrag gleich an eine solche. Natürlich ist dann besonders die vollständige Kommunikation zwischen den Beteiligten wichtig.

b) LitPR für Opfer
Einen speziellen Bereich für LitPR-Experten stellt die Opfervertretung dar. Bei der Vertretung von Opfern durch Privatbeteiligtenvertreter im Strafverfahren oder im Zivilbereich durch Zivilklage geht es nach der Entscheidung dem Grunde nach, vor allem um die Höhe des Schadens. Einem versierten LitPR-Experten ist allerdings bekannt, wer von den Sachverständigen immer wieder von den gleichen Richtern und Staatsanwälten bestellt wird und wer dadurch in eine wirtschaftliche Abhängigkeit gerät. Der LitPR-Experte hat auf diese Form der Befangenheit Bedacht zu nehmen. In diesem Zusammenhang sei auf eine Publikation von Jordan/Gresser verwiesen. Danach bejahten die Frage, ob den Gerichtsgutachtern in Einzelfällen eine Tendenz von der Justiz signalisiert wurde, 60 von 220 Gutachter, bei den Psychiatern waren es 28%, bei den Psychologen 45%, beides über dem Durchschnitt. Die befragten Sachverständigen, die das zugegeben haben, führten weiters an, dass sie mehr als 50% ihrer Einnahmen aus der Sachverständigentätigkeit für die Justiz beziehen, wobei hier wieder mit 60% die Psychiater den höchsten Wert darstellten. In gewissen Bereichen der Justiz, vor allem bei den vorbeugenden Maßnahmen, wo jedes Jahr geprüft werden muss, ob sich beim Probanden eine Besserung eingestellt hat, bestätigen die Gutachter in aller Regel die Vorgutachten, wobei dies so weit geht, dass es den Eindruck vermittelt, dass sie abgeschrieben werden.


2. Aufgaben und Ziele von LitPR

Bei den Zielen der LitPR ist zu unterscheiden, in welchem Stadium die LitPR-Firma beauftragt wurde und welche Ziele der Auftraggeber verfolgt. Besonders interessant ist LitPR im (geheimen) Ermittlungsverfahren, damit aber auch problematisch, weil eine erfolgreiche LitPR nur möglich ist, wenn man (unzulässiger Weise) Zugang zu den Akten erhält oder sich beschafft. Im öffentlichen Hauptverfahren kann sich die Öffentlichkeit ein unmittelbares Bild vom Prozessverlauf machen. Auch hier ist LitPR indiziert durch geschickte Interpretation des Prozessgeschehens und Übersetzung der juristischen Fachsprache zum Verständnis und Aufklärung unbekannter Begriffe und besser zu verstehender Aktionen. LitPR ist also Medienarbeit, die die juristische Strategie des Mandanten zu unterstützen und die Ergebnisse der juristischen Auseinandersetzung zu beeinflussen hat. Sie hat Schadensbegrenzung zu erwirken, wozu vor allem die Verhinderung eines drohenden Reputationsverlustes zählt.

Die Aufgabe des LitPR-Experten ist es, inhaltlich den Standpunkt der Mandantschaft zu verdeutlichen, wobei es zwar kein Objektivitätsgebot gibt, allerdings verlangt LitPR Wahrheitstreue, weil Medienberichte nur dann wirksam sind, wenn sie glaubwürdig und nachvollziehbar sind. Nur eine nachvollziehbare Medienberichterstattung beeinflusst allenfalls die Strafverfolgungsorgane und erzeugt – vielleicht – eine gewisse Präventivwirkung in der Bevölkerung. Im Gegensatz dazu wird das Klima durch massive Kritik an Strafverfolgungsorganen vergiftet und verschlechtert das Standing aller Beteiligten. Warnendes Beispiel, die Vorgänge im Aliyev Prozess. Oft ist es zweckmäßiger, konsensuale Prozessstrategien in Form von Schlichtungsgesprächen, Diversionsangeboten, Schadensgutmachungsbemühungen etc. zu verfolgen. LitPR ist also auch Risikomanagement, z.B. in kommunikativer Abwägung der Möglichkeiten von Fehlereingeständnissen. LitPR kann nur erfolgreich sein, wenn alle Beteiligten dasselbe Interesse verfolgen. Ich meine damit, dass der LitPR-Experte selbst oder die Anwaltsfirma, welche LitPR für das Unternehmen ausübt, völlig im Hintergrund bleibt und auch Homestories von einzelnen Beteiligten vermieden werden.


3. Grenzen qualitativer LitPR

Das Füttern von Medien mit straf- und/oder medienrechtlich relevanten Inhalten zum Zwecke derer Verbreitung gilt als Bestimmung zu gerichtlich strafbaren Tatbeständen und als rechtswidrig schuldhafte Herstellung von Entschädigungstatbeständen gemäß §§ 6 ff MedienG. Der LitPR-Experte hat daher für die vom Gesetz verlangte subtile Abwägung der Interessen im Kollisionsfall das eigene Interesse stringent wahrzunehmen, weil auch er sonst schadenersatzpflichtig wird. Heikel ist das Zusammentreffen von verfassungsrechtlich geschützten prozessualen Grundrechten mit dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit, aber auch - themenbezogen – mit dem rein beruflichen Interesse einer optimalen Vertretung des Mandanten. Die Unschuldsvermutung ist eines der wichtigsten Schutzprinzipien für Verdächtige und Beschuldigte (§ 7b MedienG). Daher ist deren Wahrung – neben dem Schutz der Privatsphäre – eine der Hauptaufgaben der LitPR.


4. Probleme bei LitPR

Eines der Hauptprobleme besteht darin, dass der LitPR Fachmann nicht durch Verschwiegenheitsbestimmungen geschützt ist, wie sie etwa Anwälte haben. Man könnte durch Ladung des LitPR-Experten als Zeugen die Verteidigungslinie aufbrechen und damit zunichtemachen. Darunter fiele auch die bisher noch zulässige Durchsuchung der Büroräume des LitPR-Experten.

Es ist sicher kein Vorteil für die Seriosität, dass LitPR-Experten keiner Disziplinargerichtsbarkeit unterliegen, soferne sie nicht selbst RA sind.

Durch die Veröffentlichung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bzw. durch Einladung der Medien zum Zeitpunkt der Bürodurchsuchung mit anschließendem Fotoshooting werden die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten vehement verletzt, weil in diesem Stadium des Verfahrens die Staatsanwaltschaft jedenfalls eine höhere Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit besitzt. Der einfache Medienkonsument glaubt bei jeder öffentlich gemachten Ermittlungshandlung: da „müsse doch etwas dran“ sein. Der Beschuldigte kann auch mit Hilfe von LitPR - außer der Behauptung seiner Unschuld - sachlich nichts Relevantes entgegenhalten. Die Konsequenzen daraus, wie Abbruch der Geschäftskontakte, Kündigung der Kreditrahmen, Schadenersatzforderungen etc. wiegen sicher schwerer als das Interesse der Öffentlichkeit. Auch die Abgrenzung von LitPR zum Lobbyismus wäre noch gesetzlich zu regeln.

Durch den Wettbewerbsdruck innerhalb der Medien kann der Grundsatz der Unschuldsvermutung auf der Strecke bleiben. Vornehme Aufgabe der LitPR wäre es, Einfluss auf die Medien zu nehmen, dieser Gefahr entgegenzusteuern.


5. LitPR Strategie

Es ist festzuhalten, dass es für manche Mandanten günstiger ist, Medienberichte zu unterlaufen, d.h. jeden Kontakt mit den Medien zu vermeiden. Dies gelingt dem Beauftragten durch seine oft langjährigen und intensiven Kontakte mit den Medien dadurch, dass er einem Medium Exklusivität verspricht für den Fall, dass mit Berichten noch zugewartet wird.

Dem LitPR-Experten ist aus seiner Erfahrung bekannt, in welchem Medium man eine Story platzieren kann und soll. Es entscheidet hier nicht nur die Auflagenstärke, sondern auch der Leserkreis und andere (diskrete) Kriterien. Der LitPR-Experte muss auch damit rechnen, dass, wenn er sich für das eine Medium entscheidet, welches in einem besonders starken Konkurrenzkampf zu einem anderen Medium steht, dieses andere Medium dann entweder mit Hilfe eines anderen LitPR-Experten oder von sich aus tendenziös genau das Gegenteil schreiben wird.

Die Krise für ein Unternehmen wird oft nicht schon durch den Verdacht eines Deliktes per se, sondern vor allem durch die mediale Berichterstattung darüber verstärkt ausgelöst. Der LitPR Fachmann kennt die Arbeitslogik der Redaktionen, d.h. ob und wenn ja, wann eine passende Information strategisch positioniert werden kann und soll.

Strategische Rechtskommunikation ist oft eine entscheidende Waffe des schwächeren Teils einer rechtlichen Auseinandersetzung, weil sie es schafft, selbst viel Mächtigere zu einem (außergerichtlichen) Vergleich zu bewegen und juristische Auseinandersetzungen zu einem ökonomischen Frieden zwischen den Beteiligten zu verkürzen.


6. LitPR durch Staatsanwaltschaft und Gericht

Durch die immer weiter verbreitete Entwicklung von LitPR war es besonders zu begrüßen, dass das Justizministerium sich vor einiger Zeit entschlossen hat, bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften Pressesprecher einzusetzen, die die Tätigkeit des LitPR-Experten auf Seite der Strafverfolgungsbehörden zu übernehmen haben. Primär jedoch passiv auf Medienberichte reagierend; nicht aktiv medienbeeinflussend tätig werdend. Das gilt auch für die Staatsanwaltschaft, der ja schon im Ermittlungsverfahren strikte Objektivität aufgetragen ist.


7. Voraussetzungen für erfolgreiche und korrekte LitPR

Es genügt nicht eine profunde juristische Ausbildung, sondern diese muss durch Kommunikationsstudium und -training ergänzt werden. Die Pressesprecher von Staatsanwaltschaft und Gerichten haben dieselben Zusatzqualifikationen zu erwerben.

Die Abstimmung über die Zuständigkeiten, Ziele, Vorgehensweisen, Themenfelder und Sprachregelungen, sowohl in der Justiz als auch bei den Rechtsanwälten innerhalb des Teams ist wesentlich, also die Synchronisierung zwischen juristischem und kommunikativem Handeln mit dem Ziel, sich zwischen taktischer Verschwiegenheit und offensiver Medieneinbeziehung zu entscheiden oder einen erfolgreichen Mittelweg zu gehen. Auch für Interviews z.B. im TV ist ein Medientraining notwendig. Nicht vergessen darf man die standesrechtlichen Vorschriften und die rechtlichen Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit.

Die Möglichkeiten zur Abwehr eines medialen Angriffs: einstweilige Verfügungen und Unterlassungsklagen sind wegen des Zeitvorsprungs der Medien nicht effektiv, auch die Klagen wegen Kreditschädigung etc. sind bis zum rechtskräftigen Ausgang kein Ersatz für den verheerenden Reputationsschaden.


8. Veröffentlichungsbeschränkungen: § 54 StPO und § 301 StGB

Nach § 54 StPO sind der Beschuldigte und sein Verteidiger berechtigt, Informationen, die sie im Verfahren in nicht öffentlicher Verhandlung oder im Zuge einer nicht öffentlichen Beweisaufnahme oder durch Akteneinsicht erlangt haben, im Interesse der Verteidigung und anderer überwiegender Interessen zu verwerten. Es ist ihnen jedoch untersagt, solche Informationen, soweit sie personenbezogene Daten anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter enthalten und nicht in öffentlicher Verhandlung vorgekommen sind oder sonst öffentlich bekannt wurden, in einem Medienwerk oder sonst auf eine Weise zu veröffentlichen, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, wenn dadurch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen (§§ 1 Abs 1, 8 und 9 DSG 2000) anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter, die gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen, verletzt würden.

§ 54 StPO pönalisiert die Weitergabe von vertraulichen Akteninhalten, was für Rechtsanwälte disziplinär ist, aber für LitPR-Experten gibt es hier keine Norm (er ist ja nicht immer Erfüllungsgehilfe einer Rechtsanwaltskanzlei, sondern wird manchmal direkt vom Unternehmen beauftragt).

§ 301 Abs 1 StGB normiert das Verbot der Veröffentlichung in der Form: Wer einem gesetzlichen Verbot zuwider eine Mitteilung über den Inhalt einer Verhandlung vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde, in der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise veröffentlicht, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

Allerdings ist eine Vorschrift, die das Medium verpflichtet, diese Postings, Portale etc. vorher zu prüfen, zahnlos. Ich appelliere an den Gesetzgeber, eine Lösung für dieses Problem zu stipulieren. Allerdings erweitern die medienrechtlichen Möglichkeiten eine demokratische Beteiligung an gesellschaftsspezifischen Themen und können zur Waffengleichheit auch bei finanziell weniger gut gestellten Prozessparteien beitragen. Zu beachten ist, dass professionelle LitPR sehr kostenintensiv ist und damit vorwiegend nur für finanzstarke Parteien in Frage kommt – dadurch wird wieder die verfassungsmäßig postulierte Chancengleichheit verletzt. Da LitPR zumindest bisher in der Regel nur bei Sensationsfällen angewendet wurde, bleibt ihr Beitrag zur Stärkung des Rechtsgefühls in der Gesellschaft und zur Akzeptanz des Rechtes fraglich.


9. Aspekte und Perspektiven

Bei Verfahren, die aus diversen Gründen besonders spektakulär sind („clamorose Fälle“) und daher LitPR erfordern, wird der Druck für alle Beteiligten aufgrund der oft überlangen Verfahrensdauer immer stärker. Bei diesen Rechtsfällen ist es daher ratsam, via LitPR auf die Medien einzuwirken, um eine Beschleunigung des Verfahrens und damit die Einhaltung der Vorgaben der EMRK zu erreichen.

Eine weitere wichtige Aufgabe der LitPR wäre es, dem verfassungsrechtlich und gesetzlich verankerten Grundsatz der Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 EMRK, § 8 StPO) in den Medien das ihm gebührende Gewicht zu verleihen. Berücksichtigt die Strafjustiz auch penibel diesen Grundsatz, so verkommt er in der Medienpraxis oft zur plakativen Rechtfertigung: „Für den Beschuldigten gilt (im Übrigen) die Unschuldsvermutung“. Auch in den Tatsachenschilderungen und Kommentaren muss auf den Grundsatz geachtet werden. Denn die Kriminal- und Gerichtssaalberichterstattung der Medien wirkt auch auf die Überzeugungsbildung der Richter (im Besonderen der Laien) zurück. Und dies wäre unter allen Umständen zu vermeiden.

LitPR ist nicht nur ein Vehikel der Verteidigung, den Mandanten in einem klaren, objektiven Lichte erscheinen zu lassen und für den Beschuldigten angemessene Verfahrensbedingungen sowie einen günstigen Verfahrensausgang zu erwirken; sie ist auch Kommunikationsmittel der Strafverfolgungsbehörden, ihre Maßnahmen zu rechtfertigen. Beide Strategien sind jedoch den gesetzlichen Vorgaben und dem objektiven Interesse einer größtmöglichen Annäherung an die Wahrheitsfindung verpflichtet.


Zusammenfassung

Man soll die Bedeutung von LitPR für die Zukunft nicht unterschätzen, sie ist nicht aufzuhalten und daher dringend einer gesetzlichen Regelung zu unterziehen.

Die Empörung über das moralisch verwerfliche verkauft sich unter den Bedingungen kommerzialisierter Mediensysteme besonders gut, wer also die Fotos von Hausdurchsuchungen, z.B. bei Grasser, das Tagebuch oder den Akt der Staatsanwaltschaft, besitzt, macht Auflage.

Die Wirkung von LitPR ist sehr effektiv, weil sie zumindest Druck auf die Gegenseite ausübt und insofern im Interesse aller Beteiligten (also der Justiz und der Parteien), weil sie die Bereitschaft, einen Vergleich abzuschließen, erhöht.

Auch der „schönste Freispruch“, wenn auch nur im Zweifel, stellt die Reputation des Freigesprochenen nicht her, dazu ist aber LitPR sehr geeignet.

Der Behauptung der Richter und Staatsanwälte bei der Befragung in Deutschland, dass sie bezüglich der Schuldfrage nicht beeinflussbar sind, stelle ich entgegen, dass die Richter/Staatsanwälte keine rationalen Subsumptionsautomaten sind, die die Vorgänge im Gerichtssaal neutral aufnehmen und rational nachvollziehbar mental zu einer juristischen Lösung verarbeiten, wie die Gehirnforschung zeigt.

Durch die mangelnde oben aufgezeigte gesetzliche Regelung liegt ein Graubereich vor, weil die charakterliche Bewertung von Journalisten, welche im Rahmen von LitPR überwiegend tätig sind, jedenfalls nicht höher bewertet werden kann/sollte, als Angehörige der Justiz.


Prof. Dr. Nikolaus Lehner




Compliance

Seit 01.01.2013 Korruptionsnovelle (Verhalten nach diesen Normen).